Die Glocken haben wir Harler auf sonderbare Weise erhalten
Auf dem Kirchturme in Harle hängt eine Glocke, die weit und breit das schönste Geläute hat. Die Glocke haben die Harler auf sonderbare Weise erhalten.
Am Ufer der Eder liegt zwischen Harle und Felsberg eine Viehweide, die von beiden Orten gemeinsam benutzt wird. Eines Tages bemerkte der Felsberger Hirte, daß eines seiner Schweine lange den Rasen aufwühlte. Er ging hinzu, stieß seinen Stock in die Erde und hörte einen Klang wie von Metall. Neugierig fing er an zu graben. Der Harler, der nicht weit von ihm hütete, sah das, kam hinzu und half mit graben. „Eine Glocke!“, schrie der auf, als die eiserne Spitze seines langen Stabes auf den unteren Rand der Glocke traf und ein Klang, stärker als zuvor, sich hören ließ. Schon lief er querfeldein nach Harle, um den wichtigen Fund zu melden. Aber auch der Felsberger war nicht faul. Und ehe eine Stunde verging, waren die Harler und Felsberger mit Stangen und Brecheisen, mit Hacken und Spaten da und holten die Glocke ans Tageslicht. Hei, wie die glänzte und hei, wie sich alle freuten! Aber wem sollte die Glocke gehören? Die Frage war wichtig, und die Frage war schwer. Die von Felsberg hätten sie gerne gehabt. Ihr Hirte hatte sie ja zuerst entdeckt. Aber warum sollten die Harler zurückstehen? Auf ihrem hohen Kirchturme klang sie nicht minder gut. Nach langem Hin und Her kam man überein, die Ältesten von hier und dort als Schiedsrichter zu hören.Schon am nächsten Tage kamen sie an der Glocke zusammen und beschlossen, einen blinden Schimmel herbeizuholen, ihn dreimal um die Glocke zu führen und dann laufen zu lassen. Wohin er laufe, der Ort solle die Glocke haben. Das geschah. Als der Schimmel zum dritten Male herumgeführt worden war, ließ man ihn los und gab ihm einen leichten Schlag. Der Schimmel taperte und suchte seinen Weg. Zuerst schien es, als wollte er nach Felsberg laufen; dann aber wendete er sich und lief geraden Weges hinüber nach Harle. Da standen die Felsberger da mit langen Gesichtern. Die Glocke, die sie so gerne gehabt hätten, mußte den Harlern zugesprochen werden.
Dort hängt sie noch heute auf dem Kirchturm, und jeder Vater in Harle erzählt es seinen Kindern, wie das Dorf zu der großen Glocke mit dem schönen Geläute gekommen ist. Aber auch jedes Kind der umliegenden Orte kennt ihren Klang und den dumpfen Ruf: „Wilde Sau fung mich, blinder Gaul zog mich, hätte mich nicht die Sau gefungen, wäre ich nicht nach Harle kummen.“
Nach E. Schneider
Lied der Harler Glocke
Es tönt die Harler Glocke
in’s Hessenland hinein.
Die Glock’ die lang vergraben
im Feld lag im Gestein.
Zum letzten Mal rief sie
in bitt’rer Qual und Not –.
Die Hand, die sie geläutet
verfiel dem schwarzen Tod.
Und andere Zeiten zogen
herauf in deutschen Land
und viel Geschlechter sanken
bis man sie wiederfand.
So mächtig und so wissend,
vergang’ner Schmerzen voll,
wie lang verhalt’ne Liebe
und lang verhalt’ner Groll.
So tönet keine zweite
ringsum im Chattengau.
Wie Stimme toter Ahnen
aus Fernen ernst und grau.
Karfreitagsleid und Ostern
den Frieden und die Pein
tönt laut die Harler Glocke
in´s Hessenland hinein.
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Lothar Fritz, E-Mail: lothar@harle-hessen.de